Wednesday, September 26, 2018

Der neue Job

Zum Glück kannte ich Lloyd schon ein wenig, als ich vor einem bekannten Tempel auf ihn gewartet hatte. Wir waren die vorherigen Tage bereits ein paar mal etwas in Tokyo unterwegs gewesen, da er doch wenigstens etwas ein Gefühl dafür haben wollte, wie ich ticke und wie gut meine Photos sind. Diese hatte nun den Vorteil, dass ich nicht komplett aufgeregt war, als ich zwischen Treffpunkt und W-LAN bietender Bahnstation hin und her lief. Lloyd verspätete sich ein wenig, denn Pünktlichkeit ist mit einer eher frei gestalteten Reisegruppe schwer umzusetzen. Ansonsten verlief der erste Tag größtenteils Ereignislos.
 Mit dem von ihm zur Verfügung gestellten Werkzeug, einem Gimbal für mein Smartphone, hatte ich mich bereits vertraut gemacht. Durch den 200€ schweren Stabilisator wirken Videoaufnahmen deutlich weniger verwackelt und sehen professioneller aus. Mit meinen Aufnahmen werden am Ende kleine Werbetrailer gedreht. Ich verstehe, wieso Lloyd sich hierzu eine extra Person angestellt hat, denn dauernd nach potentiell guten Einstellungen zu suchen ist auf die Dauer doch recht anstrengend. Das gilt gleich doppelt, wenn nebenbei noch eine Reisegruppe organisiert werden muss. Schnell wurde auch klar, dass es ziemlich umständlich ist mit dem Teil gute Photos zu schießen; Klar, das Handy soll ja möglichst stabil in seiner Position bleiben. Da ich das Gimbal immer umständlich neu einstellen muss, wenn ich mein Handy raus und wieder reinstecke, wird also Lloyd weiterhin die Bilder schießen.

Der größte Vorteil an dem Job, wenigstens in der ersten Woche, ist, dass ich die ganzen Touristenattraktionen sehen kann, für die ich sonst zu geizig gewesen wäre. Gute Beispiele hierfür sind Tiercafés und mein bisher liebster Ort in Tokyo, Odaiba, eine von Menschenhand gebaute Insel im Tokyo Bay, bekannt für die Rainbow Bridge, einer Freiheitsstatuenkopie und einem Lebensgroßen Gundammodell. Mir persönlich hat aber die lächerlich hübsche moderne Architektur am besten gefallen.




Dem ein oder anderen von euch wird aufgefallen sein, dass besagter erster Tag nur "größtenteils" Ereignislos war. Das liegt daran, dass wir im Verlauf des Tages einer recht bekannten J-Vloggerin begegnet sind, die Leute auf den Gehsteigen interviewed. Nachdem wir alle einmal gesagt haben, was uns als erstes in Japan aufgefallen ist, gab es ohne Kamera noch ein wenig Smalltalk. Nachdem ich gefragt hatte, ob eine Annotation im Video oder kleiner Shoutout  für die Firma meines Chefs möglich wäre, hat dieser sich umso mehr gefreut, als sie vorgeschlagen hat, einfach mal eine Tour zu begleiten und zu filmen. Lloyd war verständlicherweise für den restlichen Tag ziemlich gut gelaunt, immerhin könnte das ein großer Publicityboost werden. Ich konnte mich darüber freuen, gleich mal einen guten ersten Eindruck am neuen Arbeitsplatz gemacht zu haben, denn er hätte kaum nach etwas in der Richtung gefragt. Verständlich, immerhin wurde er von ihrem Agenten für ein ähnliches Angebot bereits abgeblitzt.

Toiletten Ade!

Im Allgemeinen bin ich der Meinung,  dass Glück im Leben einer jeder Person eine große Rolle spielt. Um aber den verschiedenen Fallgruben des Determinismus auszuweichen, ist ein gewisser Handlungsfreiraum auch Teil meines Weltbildes. Es scheint nämlich Menschen zu geben, die im Verlauf ihres Lebens deutlich öfters Glück haben, als andere. Ich würde nun argumentieren, dass diese Menschen, ähnlich wie beim Pokerspielen, besser mit verschiedenen Situationen umgehen können, oder besser darin sind, öfters in potentiell gute Situationen zu kommen. Simples Beispiel, wer öfters zu Veranstaltungen geht lernt mehr Menschen kennen und wer besser mit den Menschen umgehen kann, wird öfters einen guten Eindruck hinterlassen. In diesem Beispiel kommt dann früher oder später mit etwas Glück ein guter Kontakt dabei raus.
Super! Jetzt kann ich auf meine eigenen Erfolge stolz sein, ohne den offensichtlichen Glücksfaktor im Leben außer Acht zu lassen.

Was nun, wenn ich einen Kontakt kennenlerne, obwohl ich nicht wirklich viel dafür getan hab? Und was nun, wenn ich ohne großes Zutun aus diesem Kontakt einen attraktiven Job bekomme? Joa, da hab ich wohl Glück gehabt.

Lloyd Capehart, Gründer von Discovi Travel
Darf ich vorstellen, Lloyd, mein momentane Arbeitgeber und ehemaliger Hostelnachbar. Natürlich könnte ich nun argumentieren, dass ich ja nach Hilfe gefragt hatte wie der Reiskocher funktioniert, anstatt einfach im Internet zu suchen. Hierzu müsste ich mein Weltbild schon ziemlich dehnen und biegen. Im Endeffekt war es wohl einfach Glück, zufällig jemanden im Nachbarzimmer zu haben, der einen Filmmacher für seine Reisegruppe sucht. Und dabei auch keine großen Referenzen braucht. Und eine Unterkunft anbieten kann. 
Zusammengefasst werde ich bis zum Ende der Saison Mitte November für Werbezwecke seine Reisetouren begleiten und filmen, sowie Photos schießen. Dafür bekomme ich insgesamt 500$, ein Einzelzimmer in der Innenstadt inklusive Essen und natürlich die Angenehme Erfahrung, auch selbst bei den Touren dabei sein zu können. Zwar muss ich dafür im September sowohl beim Hostel, als auch für ihn arbeiten, aber in meinen Augen trotzdem ein ganz guter Deal.

Ha, Toiletten, staunet, wie schnell ich mich eurer niederträchtigen Aura entziehen konnte – wenigstens für die nähere Zukunft.

Saturday, September 1, 2018

Wird langsam mal Zeit, du!

Inzwischen gehts dann auch zum Work-Teil beim Work and Travel. Da ich ursprünglich naiverweise sehr auf das Sprachcafe Shimada-sans gehofft hatte, wäre ich nach dem 2 wöchigen Urlaub erstmal ziemlich gestrandet gewesen. Also habe ich angefangen, pro Tag ca. 1-3 Anfragen an potentielle Hosts zu schicken, meistens ohne Antwort. Einer der etwas komisch wirkenden hatte mir mal geantwortet und mich etwas gefragt, was offensichtlich auf meinem Profil stand. Bis dieser sich in 4 Tagen wieder gemeldet hatte, hatte ich aber schon etwas anderes gefunden. Nachdem ich Abends in unserem Hostel in Kamakura noch einiges abgeschickt hatte, hat mir tatsächlich sofort (innerhalb von 10 Minuten) zurückgeschrieben und mich gefragt, ob ich auch gleich morgen anfangen könne. Die Chance habe ich mir nicht entgehen lassen und meinen Urlaub eben um einige Tage verkürzt.
Das ganze ist ein sehr zentral gelegenes Hostel, in dem ich nun essenziell von Sa-Mi jeden Tag bist zu 4 Stunden lang Toiletten putzen werde. Insgesamt war das echt ein ziemlicher Glücksgriff, ich hab den Platz nur bekommen, weil anscheinend jemand kurzfristig abgesprungen ist. Zwar ist die Anlage was Küche und Bad angeht nicht soo super, aber ich hab wenigstens ein Zimmer für mich.
Mein Zimmer - Klein, aber für japanische Ver-
hältnisse in Ordnung
Auch hier ist für mich aber wieder relativ; Ich bin gleich neben Gästezimmern und höre durch die dünnen Wände jedes Niesen. Was mich etwas stört ist, dass die einzigen beiden anderen Helper heute abfahren. Meine Unterkünfte wären aber meine beste Möglichkeit gewesen, um Leute kennenzulernen, mit denen ich etwas machen kann. Aber ich hoffe einfach mal, dass sich in den bis zu 2 Monaten, die ich hier bleiben werde, trotzdem ein paar Englischsprechende kennenlernen kann. Und um ganz ehrlich zu sein, bin ich auch froh einfach irgendwas zu haben.
Aussicht vom obersten Stockwerk






Kamakura


Am dritten Tag sind wir dann in eine ehemalige Hauptstadt Japans, Kamakura, weitergefahren. Wie das bei solchen Städten eben ist, gab es hier dann sackviele Tempel. Was haben wir also die nächsten beiden Tage getan? Tempel angesehen. Dabei fand ich persönlich auch die Gärten meist sehr schön. Ich finde es ziemlich faszinierend, wie merkwürdig sich die Bäume verrenken und verdrehen. In solchen Momenten habe ich mir auch immer gewünscht, ich hätte die nötigen Kenntnisse über Photographie, um so etwas richtig einfangen zu können. Teilweise waren diese Bäume auch über 750 Jahre alt, was das ganze umso spannender gemacht hat.
Eine Sache, die auch sehr spannend war, war der Wanderweg zu einer der Sehenswürdigkeiten. Dieser ging insgesamt einige Stunden mit sehr viel auf und ab durch die, gefühlt, tiefste Wildnis. 


Inklusive Fahrrad!


"Tiefste Wildnis"
Was hat das ganze also so "spannend" gemacht? Abgesehen von der erdrückenden Hitze und lächerlichen Luftfeuchtigkeit besonders eines: Die verdammtem Viecher!
Als allererstes möchte ich über die Zikaden sprechen. Ich dachte Tokyo sei laut, aber die Natur ist wegen diesen Dingern ja noch viel schlimmer! Das sind wirklich Konzertlautstärken die eine Gruppe an Zikaden erreicht und mit der Zeit geht das echt auf die Ohren, ganz abgesehen von dem erdrückenden Gefühl, dass ihr Zirpen erzeugt.
Dann gabs auch noch diese lächerlich gefährlich aussehende Spinnen. Aus der Entfernung durfte ich sie auch ein paar mal betrachten, denn manchmal bauen die ihre Netze auf (Ausländer)-Augenhöhe. Es ist also regelmäßig passiert, dass ich ganz gemütlich meines Weges ging und plötzlich fast in so ein Viech gelaufen wäre! Und deren Spannweite reicht bis zu 10 cm! Abgesehen von Spinnen und Zikaden brummten auch gerne Fingerkuppenlange, orangefarbene Wespen um mich herum, die auch nicht gerade ungefährlich wirkten. Zusätzlich flogen auch noch Faustgroße, schwarze, Schmetterlingsähnliche Insekten herum, die auch gerne mal mit Vollkaracho auf mein Gesicht zuhielten. Irgendwann war mein Schritttempo dann ziemlich schnell und ich war recht genervt von der ganzen Erfahrung, aber nachdem kurz stehen geblieben bin und tief durchgeatmet hatte, konnte ich den letzten, recht schönen, Abschnitt des Wanderweges auch noch genießen. Am Ende war die Belohnung dann auch ziemlich groß:

11,4 Meter bei Baujahr 1252 sind echt nicht schlecht. Direkt aus dem Statuenbereich raus war ich dann in 5 Minuten bei der nächsten Bahnstation und in 20 Minuten beim Hostel, aber insgesamt hatte sich der Wanderweg doch gelohnt.

Hakone

Oh! Meine Handykamera hat ja Funktionen!
In Odawara angekommen gings dann erstmal in einen Bus zu unserem Campingplatz. Allein diese Fahrt, von Endstation zu Endstation, kostet ca. 10€. Erwartungsgemäß hatten wir unseren 3-Tages-Pass für 35€ schnell wieder drin. Von dort fuhren wir dann per Fähre über den netten Bergsee direkt beim Campingplatz. Mein persönliches Highlight war hierbei die Galionsfigur.






                                                          





Am anderen Ufer haben wir uns einen sehr hässlichen Nachbau eines ehemalige Kaiserpalasts in westlichem Stil angesehen und sind gemütlich das Ufer entlang zur nächsten kleinen Stadt. Von dort aus kamen wir dann nach einer längeren Busfahrt bei einem Onsen, also öffentlichem Bad mit heißer Quelle, an. Für diese ist die Gegend nämlich besonders bekannt, da es gleich in der Nähe einen noch aktiven Vulkan mit entsprechender Heißluftversorgung gibt.
Die Seilbahnfahrt auf diesen Berg am nächsten Morgen war, wie der restliche Aufenthalt dort, recht unspektakulär, da der Tag sehr neblig und wolkig war. Mehrmals wurde per automatischer Ansage mitgeteilt, dass wir bei besserem Wetter den "magnificent Mount Fuji" sehen könnten, bis er uns irgendwann zum Hals raushing.
Die Wanderwege oben konnten wir leider wie geplant auch nicht entlanggehen, da diese bei einem Vulkanausbruch im Jahre 2015 anscheinend ziemlich zugerichtet wurden. Naja, nach einer leckeren Ramensuppe gings dann wieder nach unten, wo wir ein ziemlich interessantes Museum für moderne Skulpturenkunst besucht haben. Ein paar der Figuren waren, besonders aus unschmeichelhaften Perspektiven, recht fragwürdig, aber insgesamt hatte sich der Besuch gelohnt.



Japanischer Künstler, ca. 1960. Ob
er sichder Doppeldeutigkeit seines
"Girl  With Cock"s wohl bewusst war?
Es soll darum gehen, wie ver-
führerisch der weibliche Körper
doch sei. Aus diesem Winkel ist
das irgendwie nicht gelungen.